Ein Ausblick: Das erwartet uns im Börsenjahr 2025
Von Alexander von Parseval

Hinter uns liegt wieder einmal ein starkes Börsenjahr, in dem wir unser Depotvermögen erneut spürbar vorangebracht haben. Ganz generell waren die vergangenen Jahre stark und ergiebig für uns als Börsianer. Dazu einige Zahlen: Die US-Aktien des marktbreiten S&P 500 verteuerten sich auf Sicht von 5 Jahren um rund 90 %. Die Wachstumsaktien des NASDAQ 100 machten sogar über 150 % in diesem Zeitraum. Auch der DAX hat sich mit einem Zuwachs von rund 50 % sicherlich nicht schlecht geschlagen.
Der langfristige Blick verrät uns zudem, dass der laufende Haussezyklus mittlerweile rund 16 Jahre alt ist. Betrachten Sie hierzu bitte den folgenden Chart!
Insgesamt haben sich US-Aktien seit Ende 2008 ziemlich genau versechsfacht. Dabei hat der US-Index für den ersten Verdoppler rund 6 Jahre benötigt. Den letzten Verdoppler von 3.000 auf 6.000 Indexzähler absolvierte der Aktienmarkt nur noch in rund 4 Jahren. Zu Deutsch: Zuletzt hat die Aufwärtsdynamik im Markt nochmals zugenommen.

Vor diesem Hintergrund fragen sich immer mehr Börsianer, ob der Markt nun nicht einmal eine längere Verschnaufpause oder sogar eine Korrektur benötigt. Wie realistisch ist dieses Szenario?
US–Aktien in der Breite teuer Wirklich?
Die fundamentale Bewertung: Ohne Frage ist der S&P 500, den wir getrost als eine Art Welt-Leitindex wahrnehmen dürfen, nach dem mehrjährigen Kursanstieg teuer. So sind die für das kommende Jahr erwarteten Unternehmensgewinne mit einem Faktor von 30 eingepreist (Index-KGV). Das ist kein historischer Rekordwert, aber ohne Frage recht „knackig“.

Trotzdem sagt uns diese Index-Bewertung nicht die ganze Wahrheit. So sind ausgerechnet die sog. Magnificent 7-Aktien nicht offensichtlich überteuert. Das ist wichtig: Denn diese Aktien – also Microsoft, Apple, Tesla, Alphabet, Nvidia, Meta Platforms und Amazon – sind etwa im S&P 500 oder NASDAQ 100 hoch gewichtet. Sie haben in den letzten Jahren wesentlich den Aktienmarkt als Leuchttürme angeleitet.

Hier sehe ich gute Chancen, dass diese Leuchttürme auch im kommenden Jahr weiter blinken und dem Aktiensegment eher helfen werden. Zwar können Nvidia und vor allem Tesla derzeit aus Sicht des konservativen Anlegers als zu teuer gelten. Dagegen stehen aber zum Beispiel die Papiere der Alphabet oder Meta Platforms. Beide Aktien weisen ein unterdurchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis auf.
Der Stabilitätsanker: Europäische Aktien unverändert günstig
Wie bereits eingangs angedeutet konnten europäische Aktien – Beispiel DAX – ihren US-Pendants in den vergangenen Jahren nur bedingt folgen. Folglich weisen diese Aktien einen signifikanten Bewertungsabschlag gegenüber US-Aktien auf. In der Tat sind die DAX-Aktien rund ein Drittel günstiger bewertet als etwa diejenigen des S&P 500.
Derzeit werden deutsche Standard-Aktien mit einem Index-KGV von knapp 19 gehandelt. Die Grafik zeigt, diese Bewertung ist völlig unauffällig und liegt ungefähr im Durchschnitt der letzten Jahre. Diese Erkenntnis dürfen Sie getrost generell auf europäische Aktien ausdehnen. Tatsächlich sind die Aktien des Euro Stoxx 50-Index sogar noch einige Nuancen günstiger bewertet.

Ich zähle willkürlich einige Branchen auf: Versicherer, Bankaktien oder Markenunternehmen wie Nestlé, Unilever oder Diageo dürfen zumindest als sehr attraktive Halten-Positionen gelten. Die genannten Geschäftsmodelle sind belastbar. Vieler dieser Aktien sind zudem starke Dividendenzahler und garantieren Ihnen auch in einer vorübergehend schwachen Marktphase immer attraktiven Kapitalrückfluss. Hier sehe ich viel Stabilität für Ihr Depot.
Jetzt wird es spottbillig: Industrie–Aktien
Ganz bemerkenswert ist gegenwärtig die ultra-niedrige Bewertung europäischer Industrie-Aktien. Vor allem Aktien aus den Branchen Autobau, Chemie und Maschinenbau liegen gemessen an ihrem Kurs am Boden. Dort finden Sie Mini-KGVs und härteste Buchwert-Investments. Hier spielt die Börse quasi eine aufkommende Weltwirtschaftskrise durch, in der – sagen wir – jedes dritte Industrieunternehmen den Markt verlassen muss. Ein solches Szenario sehe ich definitiv nicht.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Eine niedrige Bewertung sorgt nicht automatisch dafür, dass die entsprechende Aktie kurzfristig steigt. So braucht es für Aktien von BASF, Stellantis, VW, Wacker Chemie, um nur einige Kursschwächlinge der letzten Jahre zu nennen, schon einen Katalysator oder einen Zündfunken, der die Kurswende einleitet. Zu dieser Perspektive gleich mehr.
Fazit: Europäische Industrieaktien drängen sich kurzfristig noch nicht zum Kauf auf. Auf der Verkäuferseite dürfen Sie allerdings auf keinen Fall agieren. Dann werden Sie nämlich in einigen Monaten nur erkennen, dass Sie ziemlich punktgenau auf einem Tiefkurs verkauft haben. Diese Erfahrung können Sie sich ersparen.
Beispiel Palfinger: Gewinn rückläufig Aktie deshalb unterbewertet
Schauen wir uns beispielhaft für viele andere europäische Industrie-Aktien einmal die Aktie der Palfinger an. Die Österreicher entwickeln und produzieren im Wesentlichen mobile Ladesysteme, wie sie in der Industrie, Logistik und im Bauhandwerk benötigt werden. Die kurzfristige Perspektive des Unternehmens ist objektiv nicht sonderlich rosig, denn die Unternehmenskunden der Palfinger leiden durch die Bank unter der schwachen europäischen Konjunktur. Da braucht man im Augenblick keinen neuen Kran oder Gabelstapler.
Folglich wird der Gewinn der Österreicher im kommenden Jahr weiter zurückgehen, zum zweiten Mal in Folge. Der Befund ist im Kurs allerdings bereits eingepreist, wie das folgende Chartbild zeigt.
Die Aktie der Palfinger hat sich seit Ende 2021 ziemlich genau halbiert. Interessant dabei: Der Nettogewinn der Österreicher ist in diesem Zeitraum sogar gestiegen, auch wenn der Gewinn seit dem Rekordergebnis 2023 abbröckelt. In jedem Fall haben die Börsianer hier eine Entwicklung antizipiert, die so nie eingetreten ist. Anders formuliert: Hier sehe ich ein klares Missverhältnis zwischen Gewinn- und Kursentwicklung.

Folglich finden wir hier nun eine Aktie vor, die rund 10 % unter ihrem harten Substanzwert oder Buchwert notiert. Das KGV liegt mittlerweile klar unter 10, und die Dividendenrendite dürfte sehr vorsichtig kalkuliert bei über 4 % liegen.

Fazit: Palfinger ist kurzfristig sicherlich noch kein Kauf, da eben der Zündfunke noch fehlt. Trotzdem habe ich genau solche Aktien auf meiner Watchlist, weil sie eben momentan sehr günstig sind.
Europa: Schlechte Nachrichten kündigen Wende an
Zunächst bleibe ich noch bei Palfinger. Die Österreicher sind eng mit dem deutschen Standort verbandelt. Und wenn bei uns „nichts geht“, tun sich logischerweise österreichische, tschechische, französische oder ganz generell europäische Unternehmen schwer.
Wenn man momentan der allgemeinen Berichterstattung Glauben schenkt, hat Deutschland und damit auch seine Nachbarn wenig Grund für Optimismus. Eine Auswahl der letzten Nachrichten vom deutschen Standort: Konkurswelle rollt durch Deutschland, Arbeitslosigkeit steigt, Sozialsysteme unterfinanziert, ifo-Institut sagt, deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest. Mit den Hiobsbotschaften der letzten Monate könnte ich auch gleich noch die nächste Seite dieses Dokuments füllen.

Keine dieser Nachrichten ist für sich genommen falsch. Dennoch stellt sich die Frage, wie wir diese Informationen als Börsianer zutreffend interpretieren. Ich rate zu einer antizyklischen Sichtweise. Was meine ich konkret?

Konkurswelle bedeutet, dass der Markt bereinigt wird, dass der Konkurrenzdruck abnimmt und dass die verbleibenden Unternehmen nächstens wieder gutes Geld verdienen werden.

Arbeitslosigkeit ist für die betroffenen Arbeitnehmer sehr oft eine persönliche Katastrophe. So möchte ich derzeit wirklich kein VW-Mitarbeiter in Osnabrück sein, der nächstens möglicherweise mit Kind und Kegel umziehen muss, um wieder in Brot und Arbeit zu kommen. Dennoch: Für den Standort Deutschland bedeutet die zuletzt gestiegene Arbeitslosigkeit wieder bessere Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Dieser Faktor wird auch den Lohndruck, der im Gefolge der Großen Inflation eingetreten ist, spürbar mildern. Unternehmen können also wieder billiger produzieren.

Fazit: Europa befindet sich ohne Frage zurzeit in einer Abwärtsspirale. Gleichwohl nehme ich die schlechten Nachrichten der letzten Quartale als Frühindikator für eine bevorstehende konjunkturelle Wende. Anders formuliert: Europa und seine Aktien haben gutes Potenzial, im nächsten Jahr (faustdick) positiv zu überraschen.
Politik: Trump als konstruktiver Störer
Üblicherweise gilt unter Investoren die Weisheit: Politische Börsen haben kurze Beine. Zu Deutsch: Tagespolitik macht oder bremst keine Aktienkurse. 2025 werden wir allerdings nicht nur kurzfristige Tagespolitik, sondern sehr wahrscheinlich drei relevante Weichenstellungen erleben.
Weichenstellung Nr. 1: Im Februar werden die Deutschen im Rahmen einer vorgezogenen Neuwahl neues Personal für Berlin bestellen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Berlin anschließend in den großen wirtschaftspolitischen Umbruch einsteigen wird. Mittlerweile ist allerdings hierzulande Konsens, dass die Energiepreise – vor allem der Strompreis – runter müssen. Diese Priorität gilt, ganz egal, welche Koalition sich in Berlin herausbilden wird. Ich gehe davon aus, dass die neue Bundesregierung wieder ein Ohr für die Belange der Industrie-Unternehmen haben wird. Ich stelle den Kontext her: Der anstehende Regierungswechsel wird deutschen und damit nachgelagert auch anderen europäischen Industrie-Unternehmen bzw. deren Aktien helfen.

Weichenstellung Nr. 2: Die Anzeichen verdichten sich, dass Kiew und Moskau im kommenden Jahr in ernsthafte Verhandlungen eintreten werden. Die Ukrainer sind ohnehin am Rande der Belastbarkeit, aber auch Russland wirkt angeschlagen. So musste der Kreml zuletzt Soldaten aus Nord-Korea einkaufen, um den Druck an der Front hoch zu halten. Ich sage, der Kreml hat erkannt, dass man den Flächenstaat Ukraine nicht wirklich erobern kann.

Ein Waffenstillstand in Osteuropa bedeutet nicht automatisch, dass Europa wieder sofort Zugriff auf billiges Gas oder Öl aus Russland hat. Gleichwohl wird ein solches Ereignis die Weltmarktpreise für Energie günstig beeinflussen. Mehr noch: Ich gehe davon aus, dass europäische Aktien von einer nachhaltigen Entspannung in Osteuropa überproportional profitieren werden.

Weichenstellung Nr. 3: Der neue US-Präsident Donald Trump ist sicherlich politisch betrachtet eine sehr fragwürdige Persönlichkeit. So wird er sehr wahrscheinlich die im Prinzip seit 1945 gültigen Sicherheitsgarantien der USA für Europa in Frage stellen. Europa wird sich in diesem Zusammenhang einigen Herausforderungen stellen müssen.

Als Börsianer freilich bietet uns der Amerikaner durchaus Chancen. Er wird in den USA alte Zöpfe abschneiden, bürokratische Verkrustungen auflösen und umfassend deregulieren. Für die zweite Jahreshälfte ist zudem eine umfassende Steuerreform geplant, die die Unternehmen wie auch den Steuerbürger stark entlasten wird. Diese Maßnahmen dürften sich günstig auf den US-Aktienmarkt auswirken.

Die Erwartung des Marktes ist klar: Man bereitet sich auf eine zweite Trump-Hausse vor. Nur zur Erinnerung: In der ersten Trump-Ära (2016-2020) rückte der (westliche) Aktienmarkt aufgrund der wirtschaftsfreundlichen Politik des US-Präsidenten spürbar voran. Es war dann erst der externe Schock der Pandemie, der die Hausse vorübergehend unterbrochen hat.
Die Taktik: Wir bleiben in der Offensive
Möglicherweise wird der Start ins neue Börsenjahr etwas unruhig und holprig, zumal der Regierungsantritt des Donald Trump erst einmal für eine gewisse Unübersichtlichkeit sorgen wird. Im Verlauf des Jahres werden sich allerdings die konstruktiven Faktoren durchsetzen. So stehen die Chancen gut, dass die Marktzinsen in den USA weiter allmählich sinken werden. In Europa dürften sie etwas schneller fallen.

Dieser Zinsfaktor stärkt den US-Dollar als Weltleitwährung. Und hier wissen wir aus der Vergangenheit, eine starke US-Währung war für die Weltwirtschaft noch nie schlecht.

Europa als Joker: Da nehme ich jetzt schon Wetten an. Europa bzw. seine Konjunktur wird 2025 positiv überraschen. Ich halte die Prognosen der Konjunkturschätzer für zu pessimistisch. Sobald ich hier den eingangs erwähnten Zündfunken sehen, werde ich sicherlich wieder einige Prozentpunkte Depotgewichtung nach Europa schieben. Denn die Bewertungen sind wirklich verlockend.

Lassen Sie also das Jahr 2025 anrollen! Ich bin guter Dinge, dass Sie auch in diesem Jahr wieder Ihren Schnitt machen werden.
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